Auf der Suche nach kosmischen Diamanten und einer seltsamen Form von Wasser: Physikerinnen und Physiker der Universität Rostock experimentieren an Deutschlands größtem Forschungsinstrument

Ein internationales Team unter Leitung der Universität Rostock und der französischen Ecole Polytechnique erforscht 38 Meter unter der Erde am European XFEL die extremen Bedingungen im Inneren großer Planeten. (Foto: privat).

Physikerinnen und Physiker der Universität Rostock haben am European XFEL, der weltweit größten Röntgenlaser-Forschungseinrichtung, als erste Wissenschaftler Experimente zur Untersuchung des Inneren großer Planeten mit Hilfe starker gepulster Laser durchgeführt. Derartige Untersuchungen sind in dieser Forschungsanlage der Superlative erst seit 2023 möglich. Die Anlage steht knapp 40 Meter unter der Erde in einem 3,4 Kilometer langen Tunnel an der Grenze von Hamburg und Schleswig-Holstein und ist aktuell Deutschlands größtes Forschungsinstrument.

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Die Forscherinnen und Forscher des Instituts für Physik an der Universität Rostock begleiteten und gestalteten die Planungen für diese Experimente bereits über mehrere Jahre. Ziel der Untersuchungen ist es, das Universum besser zu verstehen und vielleicht sogar neuartige Technologieanwendungen zu erschließen. Konkret geht es dabei um das Innere der der großen Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Hier herrschen ein gewaltiger Druck und hohe Temperaturen. Diese Umgebung verändert die Eigenschaften von Materie, wie wir sie kennen: In Jupiter und Saturn wird Wasserstoff zu einem flüssigen Metall und im Inneren von Uranus und Neptun könnte es Diamanten regnen, wobei auch eine seltsame Form von Wasser entstehen kann. Dieses sogenannte superionische Wasser zeichnet sich dadurch aus, dass Sauerstoff ein festes Kristallgitter bildet, während die Wasserstoffkerne als Protonen nahezu frei beweglich sind. Diese sehr gut leitende Form von Wasser kommt auf der Erde nicht vor, könnte aber die häufigste Form von Wasser in unserem Sonnensystem darstellen.

Solche Bedingungen im Labor nachzustellen und die besonderen Eigenschaften dieser ungewöhnlichen Materie zu vermessen, verfolgen die Rostocker Physikerinnen und Physiker mit ihren Arbeiten. Auf der Erde funktionieren solche Experimente jedoch meistens nur für Sekundenbruchteile und mit Hilfe von sehr starken Lasern. Noch schwieriger ist die genaue Untersuchung dieser kurzlebigen Materiezustände. Hierzu wird extrem intensives Röntgenlicht benötigt, welches aktuell nur von riesigen Teilchenbeschleunigern, sog. Röntgen-Freie-Elektronen-Lasern erzeugt werden kann. Am European XFEL waren diese Untersuchungen nun zum ersten Mal möglich: zunächst im Rahmen eines Premieren-Experiments im Mai dieses Jahres mit Beteiligung von führenden Forschungseinrichtungen weltweit, um die außergewöhnlichen Fähigkeiten der Anlage zu demonstrieren. Ende Oktober konnten die Rostocker dann gemeinsam mit Partnern der französischen Eliteuniversität Ecole Polytechnique ihre Forschung zum Inneren der großen Planeten vorantreiben.

„Es lässt sich jetzt schon sagen, dass wir durch unsere Experimente dem Verständnis des Diamantregens im Inneren von Uranus oder Neptun und auch der superionischen Form von Wasser ein ganzes Stück nähergekommen sind“, berichtet Prof. Dr. Dominik Kraus, Leiter der AG Hochenergiedichtephysik an der Universität Rostock und Initiator der Experimente. „Insgesamt war es ein tolles Erlebnis, an dem auch viele Physik-Studierende der Universität teilnehmen und einzigartige Erfahrungen an einer internationalen Großforschungsanlage sammeln konnten. Wir analysieren jetzt alle gewonnenen Daten, um das Gelernte schnell zu publizieren und in der Zukunft noch genauere Experimente durchzuführen.“

Neben dem Einblick in das Innere von Planeten verbessern die Experimente der Rostocker Forschenden auch das Verständnis der Erzeugung von Materialien über extreme Bedingungen. So könnten auf diese Art auch spezielle Formen von Diamanten effizient hergestellt werden, die z.B. als Katalysatoren mit Hilfe von Sonnenlicht bei der Wiederverwertung des Treibhausgases CO2 helfen könnten. Bei noch extremeren Bedingungen könnten auch völlig neuartige Materialien entstehen: z.B. eine bisher nur vorhergesagte Form von Kohlenstoff, die ähnlich hart wie Diamant, aber deutlicher weniger spröde sein soll. Wie Diamant soll auch diese Form von Kohlenstoff unter Normalbedingungen stabil sein. Da im Erdinneren allerdings nicht die benötigten Drücke erreicht werden, ist uns dieses Material bisher verborgen geblieben.

„Die Kombination von Grundlagenforschung, in dem Fall Astro- und Planetenphysik in Verbindung mit möglichen Anwendungen fasziniert mich ungemein“, schwärmt Kraus. „Es gibt aus der Vergangenheit viele Beispiele, wo Grundlagenforschung zum besseren Verständnis des Universums letztendlich zu neuen technischen Möglichkeiten für unser tägliches Leben geführt hat. Die aktuellen Experimentiermöglichkeiten öffnen ein ganz neues Fenster zu extrem hohen Drücken und Temperaturen im Labor. Wir stehen erst ganz am Anfang mit dieser tollen Anlage und wir in Rostock sind aktuell ganz vorne mit dabei“.